SEBASTAN KOBLET
HKB 2025

PLEASE HOLD
BA THESIS DOKUMENTATION

THEORIE

Als wir unsere Themenvorschläge für die Bachelorarbeit einreichen mussten, war ich gerade dabei, die Serie Twin Peaks von David Lynch zu Ende zu schauen. Dabei fiel mir auf, dass ich auf bestimmte Räumlichkeiten emotional stark reagierte – ohne mir diesen Effekt genau erklären zu können. Bei einer kurzen Recherche stiess ich auf Foren wie Reddit, in denen ähnliche Räume als „liminale Räume“ bezeichnet wurden.

Fasziniert von diesen Orten und ihrer Beschreibung, beschloss ich, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen.

RECHERCHE

Den Begriff „liminaler Raum“ hatte ich schon gehört, wusste aber wenig über seine Herkunft und genaue Bedeutung. Ich begann zu recherchieren und fand in Werken wie Le Rite de Passage, Betwixt & Between oder Liminality and the Modern erste Antworten.

Der Begriff „Liminalität“ stammt vom lateinischen limen und bedeutet „Schwelle“. Geprägt wurde er von Arnold van Gennep und Victor Turner in der Anthropologie. Er beschreibt einen Zustand des Übergangs, in dem bestehende Ordnungen infrage gestellt werden.

Liminale Räume sind Orte mit Übergangscharakter, die sich einer klaren Zuordnung entziehen. Räume wie Flure, Aufzüge, Hotels oder Wartezimmer, die weder eindeutig hier noch dort sind. Sie verkörpern ein „Nicht mehr und noch nicht“ – einen Schwebezustand.

VISUELLE ÜBERSETZUNG

Für meine praktische Arbeit entschied ich mich, dieses Thema filmisch zu bearbeiten. Ich analysierte fünf Filmszenen, die sich visuell oder inhaltlich mit liminalen Räumen beschäftigen. Das Buch Der filmische Raum: Konstruktion, Wahrnehmung, Bedeutung und die Studie Structural deviations drive an uncanny valley of physical places gaben mir wertvolle Hinweise, wie Räume gestaltet sein müssen, um beim Publikum bestimmte Gefühle hervorzurufen. Mich interessierte besonders, wie sich der Zustand des „Dazwischen“ visuell inszenieren läsast.

BETWIXT

Einblick in meine Theoriearbeit.

PRAXIS

NARRATIV

Für das Narrativ meines Films suchte ich ein möglichst prägnantes Bild für einen Schwebezustand. So entstand die Idee einer Telefonwarteschleife: Eine Person wartet auf eine Antwort und bewegt sich in einer subjektiven Kameraperspektive durch eine Abfolge von Räumen, die sich mit der Zeit subtil verändern und immer surrealer werden.
Die Räume spiegeln den inneren Zustand der wartenden Figur wider. Eine monotone Stimme wiederholt sich endlos, schafft eine ritualhafte Atmosphäre und verstärkt das Gefühl, zwischen Realität und Fiktion gefangen zu sein. Ich entwickelte ein Skript für die On-Hold-Stimme und ein passendes Storyboard.

ENTWURF DER RÄUME

Ich entwarf mehrere Räume. Inspiriert von typischen Übergangsräumen wie Wartezimmer, Flure, Treppenhäuser und Aufzüge – zunächst als Skizzen, dann in Blender. Anschliessend verband ich diese Räume miteinander zu einem Gebäudekomplex.

FILMEN VOR ORT

Von Beginn an wollte ich Fiktion und Realität miteinander verschmelzen. Deshalb suchte ich reale Orte mit liminalem Charakter. Über Google Maps fand ich geeignete Plätze: das Parkhaus des Inselspitals und das IBIS Budget Hotel Bern Expo. Mit Kamera und Gimbal filmte ich dort Gänge, Aufzüge und Parkflächen als zusätzliches Footage.

EINSATZ VON AI

Eine besondere Herausforderung bestand darin, mein gefilmtes Material mit den Blender-Animationen zu kombinieren. Hierfür nutzte ich eine Video-to-Video-AI, um möglichst fotorealistische Umgebungen zu schaffen. Mein Ziel war es, Renderingzeit zu sparen und mehr Fokus auf die inhaltliche Gestaltung der Animationen zu legen. Die AI kam nur für Materialien, Texturen und Licht zum Einsatz. Geometrie, Kamerabewegungen und Animationen blieben vollständig in meiner Kontrolle. Da die AI maximal 20 Sekunden lange Sequenzen verarbeiten kann, musste ich die Animation in viele Einzelteile zerlegen, sie mit der AI bearbeiten und wieder zusammensetzen. Die Materials- und Textur-Prompts benötigten oft 10-20 Versuche, bis das gewünschte Ergebnis erreicht war und des öfteren wurde ich von der AI überrascht, indem sie z.B. Personen in das Bild platzierte. Manche AI-generierten Sequenzen habe ich anschliessend manuell in Photoshop weiterbearbeitet. Mein Prozess war ein stetiges Modelieren, AI-Promten, Maskieren, zusammenschneiden und wieder von vorne beginnen.

ONE-SHOT

Mein Animationsfilm ist als One-Shot ohne harte Schnitte konzipiert. Für die Übergänge zwischen real gefilmtem und AI-generiertem Material habe ich oft den Aufzug als Verbindungselement genutzt. Andere Szenenwechsel löste ich über Kameraschwenks oder das Flackern von Neonlichtern. Der Film hat bewusst keinen klaren Anfang und kein eindeutiges Ende – er befindet sich, thematisch passend, irgendwo dazwischen.

VERTONUNG

Zum Schluss habe ich den gesamten Film vertont. Auch beim Ton wollte ich eine Mischung aus Realismus und Fiktion beibehalten. Umgebungsgeräusche wie Schritte und Raumklänge habe ich manuell hinzugefügt. Insgesamt ist die Tonspur eher reduziert gehalten.
Die monotone Wartestimme wurde mit einer AI generiert. Die Aufzugsszenen habe ich mit Musik unterlegt, angelehnt an Warteschleifenmusik am Telefon. Dadurch bekommt der Film mehr Farbe und Rhythmus, und die Musik unterstützt die Stimmung und Atmosphäre der Räume.

INSTALLATION

In der Installation wird der Film wird per Projektion gezeigt. Die Idee, mehrere Sequenzen parallel zu zeigen habe ich verworfen, da dies die immersive Erfahrung abschwächte.

FAZIT


Das Endergebnis meiner Arbeit ist ein rund vierminütiger Film. Die grösste, aber auch spannendste Herausforderung war es, CGI und reale Aufnahmen miteinander zu verschmelzen. Besonders das Zusammenspiel zwischen Blender, AI und Videomaterial hat mir gut gefallen, und ich hätte gerne noch mehr in diese Richtung experimentiert.
Das Filmen vor Ort erwies sich als aufwändiger als geplant. So war zum Beispiel bei mehreren Anläufen im IBIS Hotel immer wieder das Reinigungspersonal in den Gängen unterwegs, was die Aufnahmen erschwerte. Das frühe Script und Storyboard haben mir eine gute Orientierung gegeben, wodurch ich insgesamt zügig vorankam.
An dieser Stelle möchte ich auch meinen Mentoren Cedric und Nils danken, die mein Projekt von Anfang an mit viel Engagement begleitet und unterstützt haben.